Auf den Körper hören

Heute bin ich nur 10 km gelaufen. Meine Füße taten wieder höllisch weh und mein Körper hat mir klar signalisiert, dass es für heute reicht. Es ist schon amüsant, an welche Stellen er Schmerzen sendet. ? Dort hatte ich noch nie Schmerzen.

Ich bin jetzt in Villamayor de Monjardin in einer kirchlichen Herberge. Sie ist total urig und schön. Dieser winzige Ort liegt mal wieder auf einem Hügel. ? Überhaupt ging es heute fast nur bergauf. Danke nochmals an alle, die mich hoch geschoben haben. ( Anke, Astrid, Mama, Carsten, Diana, Michaela, Kerstin, Patricia, Magarete ….) Morgen geht es laut Plan hauptsächlich bergab.


Übrigens kam ich an einer großen Weinkellerei vorbei (Bodegas Irache). Dort gibt es eine Wein- und Wasserquelle für die Pilgerer. Der Wein ist nur für den sofortigen Genuss gedacht. Ich habe verzichtet, mit Alkohol bekomme ich Pudding in den Knien und dann hätte ich eine Fußballmannschaft gebraucht, die mich den Berg hinauf schiebt.


Ich bin wieder einen großen Teil alleine gelaufen. Ich genieße das nach wie vor. Dann wurde es sehr gesellig. Ich habe Jay aus Korea kennen gelernt. Wir haben uns total lustig unterhalten. Und das mit meinen Englischkenntnissen. ? Auf jeden Fall gibt es total viele Protestanten in Südkorea. Das wusste ich gar nicht! Und dann gesellte sich noch Oge aus Schweden dazu. Er sieht aus wie Mikey Rouke vor seinen Operationen. Jetzt gab es ein schwedisch- englisch- deutsch Gemisch. Es ist soooo lustig! Die Sprache ist keine Bariere! Selbst mit dem alten Japaner konnte ich sprechen.

Machmal, wenn ich ankomme, hat die Herberge noch nicht auf. Dann heißt es warten.


Ich habe heute ein 6 Bett Zimmer. Bis jetzt sind wir nur Frauen. Sarah aus Berlin, eine Italienerin und eine Frau aus Norwegen. Ich würde mich freuen, wenn es so bleibt.


Um 18:30 Uhr gibt es das drei gängige Pilgermenü. Ich freue mich schon.

Kirche


Heute war ich das erste Mal auf meinem Camino in einer Kirche, San Miguel. Kaum stand ich vor dem Altar, flossen die Tränen in Strömen. Ich weiß gar nicht warum! Es war, als würde sich ein Deckel in mir anheben oder eine verschlossene Tür sich öffnen. Als würde all alte Traurigkeit aus mir heraus fließen. Als würde ich sie abgeben können. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich bin immer noch zutiefst ergriffen.

Aua Füße!!! 

Heute Morgen war der Meckerer bei mir .

Diese innere Stimme, die mir sagt: „Oh, heute ist es anstrengend!“ Und dann war da noch die Jammernde, die sagt: „Aua, die Fußgelenke tun weh!! Oh nein, schon wieder einen Berg hoch“ oder „Der Weg ist so holprig , diese alte Römerstraße! „Ich hab ihnen zugehört und habe mich ein wenig mit mir selbst unterhalten. ? Das Gute ist ja, dass ich gerade hier ganz alleine durch die Weinberge laufe. Auf dieser alten 2000 Jahre alten Römerstraße und jetzt, wo ich der Meckerin, der Nörglerin, der Jammernden zugehört habe, kommt das Strahlen in mir hoch, die Dankbarkeit für das, was ich hier gerade erleben darf. ? Ich bin auf einer ewig alten Straße unterwegs! Vor tausenden von Jahren, sind hier Menschen her gelaufen, genau den selben Weg! Ist das genial ?! Alles ist gut ❤️

Die eine Hälfte des Weges heute, bin ich alleine gelaufen und die andere Hälfte in schon Bekannter Gesellschaft mit Ute,Michael, Viola und Birgit. Das alleine laufen tut einfach richtig gut. Es ist meditativ, und ich bin sehr bei mir. Heute habe ich sogar angefangen, laut mit mir zu reden. Ich finde, ich kann mich sehr gut mit mir unterhalten. Ich glaube nicht, dass ich mir nun Sorgen machen muss. ?

Wie schon die letzten Tage, waren die letzten zwei 3 km wirklich richtig heftig. Ich laufe mir keine Blasen an den Füßen, sondern meine Fußsohlen fangen an, ganz fürchterlich zu krampfen. Irgendwann, ist das dann ein unglaublicher Schmerz. Stehen bleiben geht dann gar nicht mehr. Da geht es dann nur noch ums Ankommen.


Heute bin ich in einem wunderschönen Ort, Estella, gelandet. Er ist eine bedeutende alte Pilgerstadt. Heute habe ich mir den Luxus eines Einzelzimmers gegönnt! Ein Zimmer nur für mich, sogar mit Dusche und WC, auch für mich allein!!! Oh Mann, das Leben kann so schön sein.


Später treffe ich mich mit Ute und Michael, dann werden wir ein wenig gemeinsam schlendern und etwas essen gehen. Gestern war ich schon um neun im Bett. Der Körper braucht einfach genug Zeit, zum regenerieren. Es ist schon erstaunlich, wenn ich diese 3 km vor meinem Ziel bin und denke es geht nichts mehr, dann kann ich mir kaum vorstellen am nächsten Tag wieder soweit zu laufen. Aber der Körper, schafft es wirklich,nach Massage, duschen und Füße eincremen, zu regenerieren. Am nächsten Tag, ist dann die Kraft wieder da. Was für ein Wunderwerk!

Südafrika, Australien, Korea

Die Menschen, die auf dem Camino unterwegs sind, kommen aus aller Welt. Zwei meiner Zimmernachbarn heute kommen aus Australien und einer sogar aus Südafrika. Die Sprache in der wir uns unterhalten ist meist englisch.  Da passiert es schon mal, dass man sich einige Zeit mit einem Deutschen in Englisch unterhält, bis man merkt, dass dies gar nicht nötig ist. ?


Heute bin ich um ungefähr acht gestartet, nur mit einem Café con leche. Frühstück hat hier nicht so einen großen Stellenwert. Wichtig ist das Essen ab 19:00 Uhr. Ich bin immer noch hauptsächlich alleine unterwegs. Mir gefällt das sehr gut. Trotzallem sind immer Pilgerer vor oder hinter einem.


In Puente la Reina, ein zauberhaftes altes Städtchen gab es dann mein Frühstück. Köstliches Croissant und Café. Leider bin ich danach in eine deutsche Buspilgergruppe geraten. 40 Mann und Frau mit Rucksäckchen und 4 Sterne Hotel. Sie werden immer ein Stück gefahren, laufen ein wenig und dann geht’s ins Hotel. Auch eine Möglichkeit und immer noch besser, als zu Hause sitzen. Für die war ich eine Attraktion ? Wie schwer ist ihr Rucksack? Sie laufen zu Fuß bis Santiago??? Alleine??? Schlafen Sie auch in diesen Herbergen? Und dann kam die Frage der Fragen: Sagen Sie mal, Sie waren doch im Fernsehen??? Ihr Vater ist doch gestorben???


Ist das nicht verrückt?! Da ist man in der Pampa unterwegs und dann das. Lustig!!

Ich bin heute durch die ersten Weinberge gekommen. Hier wird der Wein Rioja angebaut. Die Weinstöcke schlagen schon aus. Zwischendurch war es mächtig steil. Prustend und keuchend in der knalligen Sonne habe ich mich regelrecht hoch gekämpft. Wenn ich mich nur auf jeden Schritt konzentriere geht’s, wenn ich aber die Entfernung sehe, ist das schon heftig. Also Schritt für Schritt.


Heute bin ich etwa 17 km gelaufen. Der Ort, in dem ich bin liegt auf einem Hügel. Wie ein bebauter Kegel. Total ursprünglich und alt. Ich bin in Cirauqui. Auch heute hätte ich keinen Meter weiter laufen wollen. Gott sei Dank habe ich ein Bett bekommen. Andere haben sich den Berg hochgekämpft, um dann zu hören, dass die Herberge voll ist. Die nächste ist in 6 km!!!

Gerade ist ein Pilger auf Krücken!! hier angekommen. Seine Beine scheinen lahm zu sein. Respekt!!!!!

Ich schwimme in Dankbarkeit


Heute bin ich meine erste Etappe gelaufen. Oh, mein Gott, was für eine wundervolle Landschaft ? Wilder Thymian, duftende Blüten und unglaublich schöne Ausblicke. Ich glaube, ich habe von einem Ohr zum anderen gestrahlt. Ich kann kaum ausdrücken, wieviel Dankbarkeit ich empfunden habe. Eine Übersprudelnde Quelle. Dankbarkeit für diese Schöpfung, deren Teil auch ich bin und Dankbarkeit mir gegenüber, mir diese Erfahrung zu schenken.

Ich bin heute weitergelaufen, als ich dachte, was ich schaffe. Ich habe 740 Höhenmeter überwunden und bin sehr, sehr steil und geröllig wieder bergab. Insgesamt 18,5 km ?


Die letzten 400 Meter waren wirklich sehr, sehr Aua Füße ! So schnell war ich wohl noch nie aus den Schuhen. Direkt an der Rezeption, bevor ich mein Bett hatte, stand ich schon in Socken.

Heute habe ich einen Vertrag mit meinem Körper geschlossen. Ich habe ihm versprochen, ihm gut zuzuhören und seine Signale zu beachten. Ich werde ihn salben, massieren, nähren und Ölen. Ich gebe ihm genügend Wasser und sorge für ausreichend Pausen und Schlaf. Ich werde ihn nicht beschimpfen, wenn er schmerzt und auf ihn hören, wenn er nicht mehr kann. Ich finde, bis jetzt sind wir ein gutes Team. ❤️

Außerdem habe ich meinem Rucksack heute einen Namen gegeben. Er heißt “ Herr Milu“. Mein Vorbild und Lehrer ist unser Kater Milu. Immer im Jetzt, voller Hingabe und Tiefenentspannt. Er ist immer nah bei sich und lässt sich nicht zwingen. So erhoffe ich mir, dass ich meinen Rucksack nicht verurteile, denn immerhin beinhaltet er alles was ich dabei habe.

 

Angekommen


Ich habe es geschafft! Ich bin in Pamplona und habe auch ein Bett gefunden. ? Aber mal von Anfang an. Heute Morgen war ich ungewöhnlich entspannt. Vielleicht hatte ich ja meine Aufregung die letzten Tage schon aufgebraucht. Der Flug nach Bilbao war ruhig und ich hatte zwei Plätze neben mir frei. Ein Bus, den ich erst finden musste fuhr uns nach Bilbao Zentrum. Drei Stunden später fuhr dann der nächste Bus 2 Stunden nach Pamplona. Inzwischen hatte ich Michael und Ute aus Herten kennengelernt und die Zeit war sehr kurzweilig. Bis hier war ich immer noch sehr entspannt.Endlich angekommen in Pamplona wurde es dann doch nervig. Meine Suche nach einer bestimmten Herberge, war ein irren durch eine völlig fremde Stadt. Immer wieder wurde ich in die falsche Richtung geschickt, die ich Schäfchengleich einschlug. Langsam war mein  Akku leer und ich wollte nur noch ankommen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich falsch laufe. Also wieder fragen. Eine super nette spanische Familie zeigte mir den Weg zur Herberge, die aber leider schon voll war. Ich hätte heulen können. Also weiter suchen. Inzwischen waren schon 1 1/2 Stunde vergangen. Völlig erledigt kam ich in eine Herberge, die mir sagte, dass sie auch voll wäre. Jetzt stand mir das Wasser wirklich in den Augen. Rettend kam mir die Herbergsmutter zur Hilfe! In meinem schlechten Englisch kam wohl rüber, das ich drei Betten suche. ? Gott sei dank  war Bett Nummer acht in einem 10 Bett Zimmer noch frei.Puh!!! Jetzt sitze ich satt und völlig müde im Aufenthaltsraum der Herberge mit lauter anderen tippenden Pilgern. Ein Hoch auf Free Wifi?

Ach ja, meine spanische Simcard funktioniert noch nicht, wie sie soll. Daher komme ich nur sehr begrenzt ins Internet. Vielleicht bis morgen.

Pudding im Kopf


So, noch einmal schlafen, dann geht es los! Morgen, um 9:35 Uhr startet der Flieger von Düsseldorf nach Bilbao. Von dort aus werde ich den Linienbus nach Pamplona nehmen. Ganz ehrlich, ich bin mächtig aufgeregt! Ich komme mir vor, wie eine geschüttelte Flasche Sekt, kurz vor dem Öffnen. Dazu scheint in meinem Kopf nur noch Pudding zu sein! Wie gut, dass ich meine Todo Liste habe. Ich glaube, sonst würde hier das absolute Chaos ausbrechen. Irgendwie fällt es mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Zu all der Aufregung, kommt noch dazu, dass am Donnerstag der WDR hier war. Ein Kamerateam und eine super nette Journalistin haben einen Vorbeitrag zu meinem Weg gedreht. Zwei Stunden Aufnahme für 3 1/2 Minuten Sendebeitrag! Wenn ich wieder zurück bin, gibt es dann einen längeren Beitrag. Wenn du magst, kannst du den Beitrag hier sehen:

So, jetzt widme ich mich weiter meinen restlichen Todos.