Über Einsamkeit, Pinkelneid und Hände schütteln


Mein Tag gestern war sehr gemischt. Nach einer zauberhaften Nacht unter einen Daunendecke, fühlte ich mich richtig gut erholt. Heute wollte ich meine Füße schonen und alles ganz langsam machen. Beim Frühstück lernte ich ein sehr, sehr nettes Paat aus Berlin kennen. Sie könnten meine Eltern sein! Das Gespräch tat einfach gut. Ich fühlte mich schon ein wenig vereinsamt ohne die anderen Rucksackträger. Die beiden machten mir das Angebot, mich mit in die Stadt zu nehmen, bzw. zur Burg. Was für ein Glück! Zwei Engel aus Berlin ??  Danke ❣Ach ja, da gab es noch eine herrliche Episode in unserem Gespräch. Ich erzählte von der Pilgermesse am Abend zuvor. Umgeben von lauter spanischen gläubigen Senioren, die ständig aufstanden und sich setzten. Ein Teil dieser Messe war, dass gegenseitige Händeschütteln, und zwar mit allen Menschen, die um einen herum standen. Ganz freundlich und fröhlich habe ich Hände geschüttelt. Vor allem die Dame neben mir, wollte mir immer wieder die Hand schütteln. Da sie so kalte Hände hatte, war ich gerne bereit. Naja, nun erfuhr ich den Sinn dieser Handlung. Es heißt, ich vergebe dir deine Sünden und du vergibst mir meine Sünden. ???

Auf der Burg suchte ich mir einen schönen Platz mit meinen Siestadeckchen. Ich hatte einen herrlichen Blick auf die Stadt.


Mittags ging es in die Altstadt zum Pinchos essen. Ich sage euch, wenn ich diese Pinchos sehe, bin ich im Himmel. ? Wer mehr darüber lesen möchte, findet hier mehr:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pincho

Nach und nach machte sich ein unangenehmes Gefühl in mir breit. Ich fühlte mich einsam unter all den Menschen. Dieses Gefühl machte sich immer mehr breit. Abends das überteuerte, wieder allein sitzende Essen vertiefte das noch. Es fällt mir schwer dieses Gefühl anzunehmen. Ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Ich habe eine wundervolle Familie, Freunde und euch, die das hier lest, und dennoch! Das war kein Trost. Ich kenne dieses Gefühl, es taucht immer mal wieder auf. Ich möchte es gerne besser verstehen. Auf dem Weg war ich all-  ein( s) . Ich war ganz bei mir und dennoch mit allem verbunden. Dieses Gefühl der Einsamkeit ist anders. Es schneidet mich ab von allem, vielleicht auch von mir? Ich werde bestimmt noch weiter forschen dürfen ? Auf jeden Fall beinhaltet  es bei mir auch Selbstmitleid. Auch nicht so mein Lieblingsgefühl. Passend zum Thema habe ich dann auf meinem heutigen Weg einen herrlichen Wink von oben bekommen. Ein Herz aus Scheisse! ?


Ich bin heute nicht weit gegangen, nur 10 km. Es war ein bisschen schwer wieder rein zu kommen. Mein innerer Schweinehund hat versucht mich mit Übelkeit und Bauchweh ein wenig abzuhalten. Wie schnell der wächst, der Schweinehund! Unglaublich!

Unterwegs musste ich ganz doll!!! Richtig doll! Vor mir Pilger, hinter mir Pilger und sonst nur Felder. Hmmmm!!! Was nun! Ich habe so einen Pinkelneid auf euch Männer. Hat der liebe Gott da nicht einen klitzekleinen Fehler gemacht? ?Als Frau heißt es für mich in dieser Situation, einen wenigstens etwas geschützten Platz zu finden. Dann mich irgendwie von meinem Regencape befreien, Rucksack abnehmen, auf den nassen Boden legen und runter in die Knie, alles entblößen und …… loslassen. Und dann alles wieder anziehen. Männer stellen sich einfach irgendwo hin, Hosenschlitz auf und los geht’s! Das ist doch unfair!! ?

Hier bin ich heute: Herberge „La Fábrica“

6 Gedanken zu „Über Einsamkeit, Pinkelneid und Hände schütteln“

  1. Guten Tag liebe Claudia…Du bist wieder auf der walz würde dein Großvater sagen…HB eine schöne Herberge hast Du erwischt…eine typical espanola..morgen geht es wieder besser, bestimmt…ich sage deinem schweinehund bescheid,…bis morgen oder so..?

  2. Liebe Claudia, auch ich bin jeden Tag bei Dir. Dieses Gefühl der Einsamkeit kann ich sooo gut nachvollziehen. Ich habe auch liebe Menschen um mich die mich stärken und immer für mich da sind und doch gab es diese Momente in der Vergangenheit in der ich mich als der einsamste Mensch gefühlt habe… klein und absolut verletzlich. Das war zu einer Zeit als mein Mann einen schweren Unfall hatte und wir harte Zeiten durchleben mussten. Ich war zu dieser Zeit quasi alleinerziehend und musste das Leben alleine Schultern. In dieser Zeit war ich absolut stark. Als sich unser Leben langsan normalisierte -bin ich eingebrochen. Ich war ausgelaugt. Panikattaken haben mich oft lahmgelegt – in dieser Zeit der Panik war ich der einsamste Mensch – es konnte mir keiner helfen, das musste ich mit mir alleine ausmachen. Klar das Verständis der Anderen hat geholfen nicht ganz darüber zu verzweifeln – aber ich konnte und musste diese Panikgefühle – nur mit mir selbst ausmachen. Dieses Gefühl, diese Situation anzunehmen fiel mir absolut schwer. Ich verstand sie nicht. Ich hatte ja alles um glücklich zu sein …3 gesunde tolle Kinder und mein Mann, den ich über alles Liebe hatte überlebt, und unsere schwere Zeit .. normalisierte sich so langsam. Trotzdem ich habe es nicht verstanden warum mein Körper so reagierte. Erst als ich mich damit auseinandergesetzt habe und diese Gefühle meines Körpers/meiner Seele angenommen habe ging es mir besser. Heute weiss ich, das es ein Zeichen für mich ist kürzer zu treten. Sozusagen meine gelbe Ampel. Ich bin mir nicht sicher ob es richtig ist dies hier zu schreiben es ist ja öffentlich ….. es ist ja auch eine ganz andere Situation……aber Du schreibst Du fühlst dich abgeschnitten von allem auch von Dir selbst in diesem Moment. Genauso fühlte ich mich. Wie gesagt der Grund ist sicher nicht derselbe aber mir war einfach danach es Dir zu schreiben. Ich wünsche Dir weiterhin alles Liebe und Gute. Du machst das wunderbar und freue mich jeden Tag darauf von Dir zu lesen und Deine schönen Bilder zu sehen…. das ist übrigends auch eine Art Nahrung. Liebe Grüße Kerstin

  3. Ach, Lalla, ich kann Dich gut verstehen! Aber als dann der Wink des Himmels kam, musst Du doch alles was Dich bedrückt hat sofort rausgelacht haben. Ich musste es jedenfalls: Soooo herzlich lachen: ein Herz aus Scheisse! Wundervoll!!!
    Lieben Dank dafür!
    Deine Tina

  4. Liebe Claudia,
    zwei Dinge werden Dir auf dem Camino immer wieder mal begegnen. Der Drecksack „Schweinehund“ und das blöde Gefühl der Einsamkeit. Horche mal genau nach: vielleicht sind diese beiden unschönen Begleiter ein kleiner Hinweis für irgendetwas oder in irgendeiner Form ein Ratgeber. Ich kann Dir aber versichern, dass unterm Strich die guten und schönen, die reinigenden und tröstenden Eindrücke auf jeden Fall überwiegen werden.
    Ich wünsche Dir weiterhin einen guten Weg!
    Jörg

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