Eitelkeit ade

Wow, was für ein Tag! So voller neuer Eindrücke und netten Begegnungen, dass es sich so anfühlt, als wäre ich schon Wochen unterwegs. Ist es wirklich erst gestern gewesen, dass wir in Porto starteten?

Heute ging es hauptsächlich über diese wunderbar ausgebauten Holzwege am Wasser entlang. Zwischen durch kamen wir durch kleine, ganz ursprüngliche Orte, in denen man den Eindruck hatte, die Zeit sei stehen geblieben. In einem sahen wir zwei ältere Frauen, die ganz frischen Fisch ausnahmen.

Dieser Geselle hat wohl ein bisschen zu lange in der Sonne gesessen. 😂Trotz gutem Zureden, konnte ich ihn nicht überzeugen, dass es für seine Gesundheit zuträglicher wäre, die Finger vom Alkohol zu lassen.

Einen Teil des Weges sind wir heute auch direkt am Strand gelaufen. Es war gerade Ebbe und dadurch war der Sand schön fest.

Nach einer Weile sahen wir vor uns etwa 500m weiter ein Haus und meinten, dass wäre ein super Stopp für die nächste Pause- ist ja nicht mehr weit. Tja, und dann standen wir vor der Flussmündung. Nichts da, mit nicht mehr weit. Wir mussten einen Umweg von über 40 Minuten gehen, um die Brücke über den Fluss zu erreichen und um ans andere Ufer zu kommen. 😅

Manchmal ist es schon sinnvoll, so einen Pilgerführer etwas aufmerksamer zu lesen und den gelben Pfeilen zu folgen.

So sieht das übrigens aus, wenn mehrere Pilger Pause machen. Rucksack- Gruppenkuscheln 😍

So, und jetzt noch ein paar Worte zur Eitelkeit. Fangen wir mal mit der Kleidung an. Die Frage, was ziehe ich heute an, ist schnell beantwortet. “ Das andere von den zwei T- Shirts.“ Zwei Hosen, zwei T- Shirts, zwei Tops. Die Kleidung ist vor allem praktisch. Meine supergeilen, sexy blauen Kniestrümpfe sind in Wirklichkeit Kompressions- Stulpen, die meine Beine bei ihrer Hochleistung unterstützen. Schön ist anders 🤣 Schminke fällt weg, weil es einfach völlig unnötig ist noch mehr Zeugs mitzuschleppen und Augenreiben so viel besser geht. Die Haare liegen immer stürmisch wild verweht. Also , wie gesagt “ Eitelkeit ade!“ Was aber wirklich schön ist, sind all die strahlenden und glücklichen Augen. Was macht da schon so eine verwehte Frisur oder dieser unvorteilhafte Gurt über Busen beim Rucksack?!

Die Herberge heute ist absolut super! Es gibt sogar Bettwäsche und Frottierhandtücher. 👍👍👍

Richtig perfekt war auch der Nachmittag. Schon gestern hatten wir am Campingplatz so richtig nette Leute kennengelernt. Und heute sind wir uns mehrfach über den Weg gelaufen. Zufälligerweise haben wir im selben Ort eine Unterkunft gefunden und einen herrlichen Nachmittag/ Abend zusammen verbracht. Danke an Aart, Stefan und Kathrin ❤️ Es ist eine Freude, mit euch zu lachen und zu sein. Irgendwie hat das ganze etwas von Jugendherberge- Feeling. Es macht einfach riesen Spaß.

Pilgerfeeling

Gerade kommen wir vom Pilgeressen und ich möchte das Erlebte gerne mit euch teilen, weil es so typisch ist. Ruckzuck hat sich beim Essen eine Gemeinschaft gebildet. Menschen, die sich das erste Mal begegnen, verabschieden sich danach wie Freunde. Dieser Weg verbindet so wunderbar. Dieses Stöhnen, wenn man aufsteht, weil einem alles weh tut. Wie schön, es auch bei den anderen zu sehen und zu hören und gemeinsam darüber zu lachen. Oder Erlebtes auszutauschen, sich langsam kennenzulernen. Wir saßen zu neunt um einen Tisch. Sieben Deutsche, ein Österreicher und ein Niederländer. Es gab eine undefinierbare Vorsuppe, die gesund schmeckte, danach gegrillte Sardinen mit Reis in Tomatensauce und einen leckeren Nachtisch. Alles für 7,50€. Ich fand es gut. Ach ja, dazu gab es noch diesen guten roten Pilgerwein, der bestimmt Muskelkater wegzaubert. 😂 Wir werden sehen. Jetzt liege ich in unserem “ Chalet“ auf dem Hüttenschlafsack als Laken, mit Schlafsack und aufblasbarem Kissen. Ich bin so platt, dass ich eigentlich nur gut schlafen kann.

Tschüss Porto und hallo Atlantik

Heute Morgen um 9:00 ging es los. Rucksack packen, alles richten, im Hotel auschecken und dann auf ins nächste Abenteuer. Diesmal wussten wir nicht so genau, wo wir landen. Wir hatten einen Campingplatz anvisiert, aber ob das dann klappt, sieht man erst später. Aber dazu später mehr 😊

Mein Rücken und mein Rucksack scheinen noch ein wenig zu fremdeln. Echt ignorant! Immerhin waren sie schon 700km mit gleichem Gewicht, zumindest was den Rucksack angeht 😊gemeinsam unterwegs. Entweder schmerzt die Hüfte oder die Schulter jault. Bin noch dabei, die perfekte Einstellung zu finden. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich damals noch 12 kg mehr Körpergewicht auf meinen Gelenken hatte! Puh!!! Insofern schon einmal eine positive Entwicklung. Trotz all eurer Blasenfreier Wünsche, habe ich die erste am Fuß. Nicht durch Reibung, sondern schlicht durch Kompression. Ist aber nicht schlimm. – Bis jetzt! 😂

Da ist er, der Atlantik! Ich bin so glücklich. Ich kann es kaum in Worte fassen. Ständig grinse ich vor mich hin und sage zum tausendsten Mal: Mein Gott, ist das schön. Fühle mich von Glücksgefühlen und Dankbarkeit regelrecht geflutet. 😍 Und all das mit einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben zu teilen ist ein riesen Geschenk und macht es perfekt.

Die Seeluft ist so wunderbar klar und die ganze Zeit weht so ein wohltuender Wind. Es ist nicht zu heiß, ich glaube heute waren es 18Grad.

Übrigens ist es überhaupt nicht lustig im Sand zu laufen. Einfach mühsam und schweißtreibend. Schneckenlahm! Statt dessen geht es über so Holzwege, direkt am Meer entlang. Das klappt gut.

Das hier ist übrigens das erste Jakobswegzeichen auf unserem Weg. Da kommen Heimatgefühle auf und ganz viele positive Erinnerungen.

Jetzt sitze ich vor unserer Hütte auf einem Campingplatz in der Sonne und schreibe euch. Wir haben den Campingplatz gefunden und wussten durch unseren Pilgerführer, dass er gerne Pilger aufnimmt. Zwischendurch hatte ich so meine Zweifel, ob ich es bis dahin noch schaffe. Aber das kenne ich schon. 😂 Die letzten Meter Pfeife ich auf dem letzten Loch. 😅

Die Hütte hat ein Doppelbett, einen schmalen Schrank und sogar einen Kühlschrank. Ach ja, und das wichtigste, eine eigene Terasse. Duschen und Toiletten werden gemeinsam benutzt. Soll aber nicht heißen, gleichzeitig. Wie das eben bei Campingplätzen so ist.

Wir fühlen uns sehr wohl hier.

So, jetzt geht es ins Restaurant, da gibt es unser erstes Pilgermenü.

Verbrauchte Kalorien wieder auffüllen. 😂

Und los geht’s

Mit etwa 9 1/2 kg Gepäck auf dem Rücken, haben wir uns heute morgen auf den Weg gemacht. Erst einmal fühlt sich das Laufen ganz eigenartig an. Der Rucksack schwankt regelrecht bei jedem Schritt auf dem Rücken. ( Ich frage mich gerade, ob ein Kamel sich auch so fühlt?) Und auch der richtige Laufrhythmus muss sich erst finden. Und dann, fast unbemerkt, läuft es sich wie von selbst.

Schon den Flughafen im Blick, meinte ich, ich müsste mich mit der Schwerkraft auseinandersetzten. Da war so ein mit Gras bewachsenes Loch. Mitten im Satz, (Tommy, ich wollte Carsten gerade von deiner Kapuzinerkresse erzählen) hat’s mich umgehauen. Da lag ich plötzlich auf dem Bauch und kam erst mal mit dem schweren Rucksack nicht mehr hoch. Durch die hohen Wanderschuhe hatte ich Glück im Unglück. Bin zwar umgeknickt, aber eben nicht so doll.

Porto hat richtig Shabby- Schick. Mag man, oder auch nicht. Überall wird gebaut und restauriert, um alte Bausubstanzen zu erhalten. Ich mag’s! Natürlich waren wir auch kulinarisch unterwegs. Hmmm, diese leckeren Natas kann ich nur empfehlen. Herrlich knuspriger Blätterteig mit einer köstlichen Puddingfüllung.

Und dieses Eis, ein Traum 😋

Morgen geht es dann richtig los. Immer die Muschel oder die gelben Pfeile im Blick. Ich freue mich schon ganz besonders auf das Meer. Bis Spanien verläuft der Weg ja an der Küste.

Also dann, bis morgen. Ich verdaue jetzt erst einmal heute Nacht all die neuen Eindrücke und das leckere Essen.

Es geht wieder los Porto- Santiago

Morgen ist es soweit. Zunächst geht es zu Fuß zum Dortmunder Flughafen. Das sind nur 10km, wofür ich 2 Stunden brauche. Eine richtig schöne Strecke, hauptsächlich durch Natur und Felder. Das Gepäck muss ich ja sowieso die nächsten Wochen tragen, hab ich mir so gedacht. Mit einem Köfferchen in der Hand hätte ich keine Lust so weit zu laufen. 😂

Was ist diesmal anders? Zunächst ist die Strecke anders. Sie verläuft von Porto nach Santiago, immer Richtung Norden. Vorher bin ich immer Richtung Westen gelaufen.

Diesmal sind es nur ca 300 km, die Angaben variieren ein bisschen. Der erste Teil geht am Atlantik entlang, darauf freue ich mich ganz besonders.

Mein besonderes Highlight diesmal aber ist, dass ich nicht alleine starte. Diesmal gehen mein Mann und ich gemeinsam. Damals brauchte ich nach all der emotionalen Belastung das alleine laufen. Jetzt ist es anders. 😍 Ich bin schon ganz gespannt, wie es zu zweit wird.

Was auch ein Unterschied zum ersten Mal ist: Ich habe jetzt Erfahrungen, auf die ich zugreifen kann. Beim Rucksack packen ist das sehr von Vorteil. Ich konnte jetzt meine eigene Packliste nutzen. Einiges habe ich direkt gestrichen ( die empfohlene Tupperdose) , anderes kam dazu ( ein Hüttenschlafsack).

Aus meiner letzten Erfahrung heraus, als ich in Pamplona rumirrte und kein Bett bekam, habe ich gelernt. Für die erste Nacht haben wir ein Hotelzimmer mit eigenen Bad gebucht. Danach wird’s dann ernst 😊

Aufgeregt bin ich wie beim ersten Mal. Habe so etwas, wie Verliebtheitszustände. Kennst du das? Nächtelang nicht richtig schlafen, mit Musik in Endlosschleife im Kopf wach werden, und zwar so richtig wach um 4 Uhr 😱, schneller Puls und ständig hochsteigende , aufgeregte Freude und Glücksgefühle. So wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Habe ich wirklich an alles gedacht? Puh, anstrengend!

Heute noch die letzten Kleinigkeiten packen und dann den Deckel vom Rucksack schließen.

Ich versuche, wie beim letzten Mal, euch täglich zu schreiben und euch auf meinem Weg ein wenig mitzunehmen. Schon jetzt entschuldige ich mich für alle Rechtschreibfehler und unkorrekte Grammatik. 😂 Ich freue mich auf eure Kommentare und sag mal, bis morgen in Porto.